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Ethik & Moral

Ist das töten und essen von Tieren unmoralisch?

Da der gewohnheitsmäßig Fleisch essende Mensch große Mühe hat, vom Fleischgenuss abzulassen, selbst wenn sich seine Zweifel daran zu deutlichem Unrechtsbewusstsein verdichten, wurden einige mehr oder minder philosophisch verkleidete Ausflüchte zur Ethik entwickelt. Etwa die Frage, ob dem Menschen der Verzicht auf seine carnivorische Esskultur zuzumuten sei. Handelt es sich bei Vegetarier und Veganern „nicht um lustfeindliche Asketen, um Menschen ohne Lebens- und Ernährungsstil?“ Ist der Veganismus „ein Ideal für Heilige“, eine Forderung, die nicht generalisierbar sei und in die Kategorie der unzumutbaren „opera supererogationis“, also etwa der Werke moralischer Überforderung gehörten.

Tierrechtler gehen davon aus, dass Tiere ein Recht auf artgemäßes Leben haben. Die meisten Tiere sind biologisch so analog dem Menschen entwickelt – bedingt durch die Evolution -, dass insbesondere das Empfinden von Schmerzen und Leiden sich in ähnlicher Weise auswirkt. Auch die durch uns Menschen veranlasste und doch wohl häufig völlig sinnlose Trennung von Tieren aus ihrer natürlichen Umgebung verursacht – wie bei uns Menschen – Leiden. Die Gerechtigkeit verpflichtet uns, Gleiches gleich zu behandeln. Leidensfähige Geschöpfe dürfen also im Bezug auf Leiden nicht ungleich behandelt werden.

Damit wird einer lediglich anthropozentrischen – also auf den Menschen bezogenen – Ethik eine klare Absage erteilt. Wenn Sie einen Begriff hören wollen, wie sich moderne Tierrechtler eine zukunftsweisende Ethik vorstellen, dann erlauben Sie, Ihnen das Fremdwort „pathozentrisch“ Nahezubringen. Es bedeutet, dass wir jeweils konkret prüfen müssen, ob und wo wir sensiblen Mitgeschöpfen Leiden zufügen, wenn wir Tiere für menschliche Zwecke nutzen oder in ihre natürliche Umwelt eindringen, wobei schon der Begriff Umwelt sehr anthropozentrisch erscheint.

Artübergreifende Ethik & Moral

Ist das töten und essen von Tieren unmoralisch?Tierrechtler stellen die Stimmen der sprachlosen Tiere dar und betrachten sich daher als Treuhänder oder als Vormünder im besten Sinne des Wortes. Dabei halten wir uns vor Augen, dass eine Ethik, die Handlungen allein am Wohle des Menschen oder der Menschheit gar misst, verkennt, dass Ethik  und Moral etwas mit Verantwortung für diejenigen zu tun hat, die biologisch nicht begünstigt sind, sich also nicht wie viele Menschen selbst gegen die Verkürzung ihres Rechts auf ungestörte biologische Entfaltung im Rahmen der natürlichen Bedingungen wehren können.

Mir selbst wurde diese neue rechtsphilosophische Sicht durch einen Begriff aus der gegenwärtigen angelsächsischen Ethikdiskussion deutlich: Speziesismus. Was ist gemeint? Chauvinismus und Rassismus sind bekannt. Dann kam der Begriff Sexismus dazu: die offene oder auch strukturell getarnte Unterdrückung von Menschen wegen ihres biologisch zufälligen Geschlechts. Wenn nun aber das Recht, ein artgerechtes Leben zu führen, allen leidensfähigen Geschöpfen zusteht, dann gilt das nicht allein für die biologische Spezies Mensch. Alles andere ist artegoistischer Speziesismus.

Wer kennt die Aussage nicht: „Ich bin tierlieb; liebe meinen Hund oder meine Katze über alles. Aber Rinder, Schweine, Hühner, Schafe, etc. lasse ich töten, um diese dann zu verspeisen.“

Wer und was gibt uns das Recht, willkürlich Unterschiede zwischen den Rassen zu machen, um über Leben und Tod zu entscheiden?

Überlegungen zur Tierethik – Gibt es eine Pflicht zum Veganismus?

Ethisch begründeter Veganismus ist ein Thema, das seit einigen Jahren an Interesse, Gewicht und Verbreitung gewinnt. Unüberhörbar ist die Frage nach der Tiertötung zur Fleischgewinnung. Zwar ist der ethische Vegetarismus und Veganismus in unserem Kulturkreis noch immer die Lebensweise einer verschwindenden Minderheit, aber schließlich waren es immer Minderheiten, die gegen die zunächst unangefochtene Mehrheitsüberzeugung den Weg für die großen Fortschritte in der Humanität bereitet haben, gleichgültig, ob es um Hexenverbrennung, Sklaverei oder Rassenwahn ging.

„Vielleicht wird man bereits in hundert Jahren mit ähnlichem Befremden auf Karnivoren zurückschauen, wie heute auf Kannibalen“

Dazu meint der Schweizer Philosoph Jean-Claude Wolf in seiner „Tierethik„: „Vielleicht wird man bereits in hundert Jahren mit ähnlichem Befremden auf Karnivoren zurückschauen, wie heute auf Kannibalen“.

In der Bundesrepublik hat sich die Zahl der Vegetarier laut EG-Statistik von schätzungsweise einer Million zu Beginn der achtziger Jahre auf 3,1 Millionen erhöht und wird vermutlich noch weiter zunehmen, weil sich das zunächst nur ungute, dann aber schließlich belastende Gefühl der Mitschuld am unnötigen Leiden der Tiere verstärkt. Jedenfalls wurde in einer 1985 von der deutschen Pharmaindustrie in Auftrag gegebenen Befragung festgestellt, dass 33 % der Gesamtbevölkerung und 40 % der 14-34jährigen das Töten von Tieren zur Gewinnung von Lebensmitteln und Bekleidung für nicht gerechtfertigt halten. Dass davon dann doch nur wieder ein Bruchteil sein Leben wirklich umstellt, spricht weniger gegen den Appell des eigentlich Sein-sollenden, als vielmehr für den Druck der Gewohnheit und die Schwierigkeit, ihm zu widerstehen.

Allerdings ist seit einigen Jahren klar, dass der Mensch nicht – wie lange gemeint – zur gesunden Ernährung auf Fleisch angewiesen ist, sondern gut darauf verzichten kann. Das bedeutet: auch der Fleischkonsum befriedigt nur noch Gewohnheits- oder eben Modebedarf.

Sogar im Tierschutzbericht 1995 der deutschen Bundesregierung steht in Kapitel XII,2 der Halbsatz, dass „Fleisch keinen notwendigen Bestandteil der menschlichen Ernährung darstelle.