Fleisch sollte billig sein, musste möglichst kostengünstig produziert werden. Kleinbauern mit maximal zehn Kühen wichen technisierten Großbetrieben. Das Schlachtvieh steht dort dicht zusammengedrängt und mit schmerzenden Beinen auf Gitterrosten, damit Fäkalien und Futterreste schnell abfließen können. Nicht zuletzt durch Berichte über die Praktiken in der Fleischproduktion, die nichts mehr mit der Vorstellung vom idyllischen Leben auf dem Bauernhof gemein haben, ging der Fleischverzehr seit Ende der achtziger Jahre leicht zurück. Doch gehört das „Stück Lebenskraft“ (die CMA hat 2001 über 80 Millionen Euro dafür ausgegeben, um diesen hirnverbrannten Slogan in die Köpfe Ihrer Verbraucher einzuhämmern – erfolgreich, auf jeden Fall bei BILD Lesern), ob gekocht, gebraten oder gegrillt, in Deutschland wie in anderen westlichen Industrienationen immer noch zum täglich Brot. Die Bundesbürger verzehrten im vergangenen Jahr rund 62 Kilogramm Fleisch pro Kopf. Immerhin acht Kilogramm weniger als noch 1988.
Dagegen war in den Zeiten, in denen unsere Vorfahren noch als Jäger und Sammler durch die Wildnis zogen, tierisches Protein auf dem Speisezettel eher die Ausnahme. Geriet etwa einem Urmensch ein Wildschwein unter die Keule, musste es für die ganze Sippe reichen. Die nächste Haxe konnte lange auf sich warten lassen.
Fleisch war noch bis in die späten sechziger Jahre Mangelware und damit teuer. Die Masse der Bevölkerung leistete sich höchstens sonntags eine Fleischscheibe. Erst in den siebziger Jahren häuften sich die Fleischberge. Der Braten auf dem Mittagstisch begann zum Alltag zu gehören. Und wenn die Herren des FC Hinterwald nach dem Training ins Clubheim einfielen, war das 250-Gramm-Steak so angesagt wie lange Koteletten.
In den achtziger Jahren kam dann der Gesinnungswandel: Die Müslidiskussion hinterließ auch beim Normalverbraucher Spuren, der Trend ging zur gesunden Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Getreide. Dunkles Fleisch von Rind und Schwein ersetzte der gesundheitsbewusste Konsument immer häufiger durch helles von Geflügel oder Fisch. Doch auch der Verzehr von Seezunge und Huhn ist nicht unbedingt ökologisch korrekt. Die Überfischung der Meere und der Einsatz von Treibnetzen verderben vielen den Appetit. Außerdem gibt es da noch die Nordseekrabben, die erst per Lastwagen nach Marokko gehen, wo sie von flinken Frauenhänden billig gepult werden, damit sie dann deutsche Gourmets nicht mehr aus der Schale pellen müssen. Und Geflügel? Jedes Kind weiß, dass der beim Auftauen des Tiefkühlgockels entstehende „Hähnchensaft“ meist keimgeladen ist und auf keinen Fall den parallel angerichteten Salat beträufeln darf. Nur durchgekocht oder gebraten ist das Hühnchen ungefährlich. Doch die beste Hygiene in der Küche nützt nichts, wenn das Fleisch zuvor nicht hygienisch und verantwortungsbewusst behandelt wurde.
Das zeigt auch der Skandal um abgepacktes Fleisch in den Kühlregalen der Supermärkte. Verbraucherzentralen entdeckten in Einkaufsketten quer durch Deutschland verlängerte Ablaufdaten und bereits fauliges Fleisch, das stark gewürzt als pikante Grillfilets angeboten wurde. Aber auch im Schlachthof oder beim Transport haben Keime leichtes Spiel, wenn die Kontrollen versagen. Eine lückenlose Überwachung ist aber unmöglich, die Fleischbeschauer können lediglich Stichproben analysieren.
Fleischkauf ist Vertrauenssache. Das fängt beim Mäster an und endet beim Personal hinter der Fleischtheke. Dazwischen liegen Transporte, Zerlegung und Verarbeitung, Lagerung und Kühlung. Wann immer es die Verantwortlichen an Sorgfalt vermissen lassen oder Profitgier das Handeln bestimmt, wird minderwertige oder auch gesundheitsgefährdende Ware den Markt erreichen. Verschärfte Kontrollen und härtere Strafen für die Übeltäter vermögen da wenig zu ändern. Denn entscheidend ist das Verhalten des Verbrauchers: Solange die Kunden nicht bereit sind, auf die Qualität zu achten und ein paar Mark mehr für Rippchen und Steaks hinzulegen, werden sie mit der Unsicherheit leben müssen. Und wohl immer neue Fleischskandale werden für Furore sorgen. Aber auch daran hat sich der Verbraucher bereits gewöhnt…
Deutschland
*Fleischkonsum in Kilogramm, per Person und Jahr
Jahr | Schwein | Rind | Gefluegel | Schaf/Ziege |
1998 | 40,4 | 10,4 | 9,1 | 0,8 |
1999 | 41,0 | 10,4 | 9,1 | 0,8 |
2000 | 39,1 | 9,6 | 9,5 | 0,8 |
2001 | 38,7 | 7,0 | 11,0 | 0,8 |
2002 | 37,8 | 8,7 | 10,6 | 0,8 |
Quelle: ZMP (Agra-Europe 11 / 03: 17.3.2003)