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Die (globalen) Folgen des Fleischkonsums

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BSE wird mittlerweile verharmlost und englische Rinder wieder importiert, Rundwürmer werden in Fischen gefunden (d.h.: Fische sind von Würmern befallen), Hormonskandal bei der Kälbermast, Nikotineinsatz in der Hühnerhaltung (dem „Hühnerbaron“ Anton Pohlmann in Deutschland wird der Einsatz des giftigen Desinfektionsmittels Virkon-S im Futtermittel und die Desinfektion der Ställe mit Nikotinsulfat nachgewiesen. Er wird zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von ca. 1 Millionen Euro verurteilt), Dioxinskandal in Belgien (das hochgiftige Dioxin ist über mit Altöl verseuchtes Tierfutter in die Nahrungskette gelangt). Alles Meldungen aus den 90ern. Nebenbei noch etwas Schweinepest, Maul- und Klauenseuche und nun stehen die Vogelgrippe und Schweinegrippe mit früher oder später einer weltweiten Pandemie an. Alles Folgen der Massentierhaltung, damit der gemeine Verbraucher billiges Fleisch auf den Teller bekommt.

Wie ein Schlaglicht erleuchten in schöner Regelmäßigkeit die Bilder vom Keulen und Vernichten von hunderttausenden Tieren die Zustände in unserer heimatlichen Fleischproduktion, und kein Fleischesser (Neudeutsch: Konsument) kann übersehen, was er da eigentlich (fr)ißt. Doch als hätte nur eine kleine Störung den normalen Betrieb beeinträchtigt, stehen die Konsumenten weiterhin Schlange an den Billigangeboten der Fleischtheke und beschweren sich über die hohen Preise für die Koteletts. Die Massentierhaltung geht uneingeschränkt weiter, im Auftrag der Verbraucher…

Wie weit muss unsere Gesellschaft den kiloschweren Fleischkonsum und die industrielle Fleischfertigung als notwendigen Teil ihrer Existenz verinnerlicht haben! Wie es dazu kommen konnte, versucht Jeremy Rifkin in seinem Buch „Das Imperium der Rinder“ darzustellen.

Im folgenden wird versucht, seine provokanten Thesen kurz zusammenfassen. Es lohnt sich außerordentlich, sich damit auseinander zusetzen!

Von der Mast zur Schlachtung

„1,28 Milliarden Rinder bevölkern heute die Erde… Sie grasen auf fast 24 Prozent der gesamten Landmasse des Planeten…“(S.13) Bei der Mast in den USA werden die Tiere „mit Estradiol, Testoteron und Progesteron behandelt… Die Hormone regen die Zellen an, mehr Protein herzustellen und schneller Muskel- und Fettgewebe aufzubauen…. In dem für den menschlichen Verzehr bestimmten Fleisch finden sich häufig Rückstände … (von Antibiotika), die bewirken, daß die Bevölkerung immer anfälliger wird für aggressivere bakterielle Krankheitserreger.

Kastriert und von Drogen benommen, stehen die Rinder stundenlang vor den Futtertrögen und fressen …. Das Futter ist mit Pflanzenschutzmitteln durchsetzt. In den USA werden heuten 80 Prozent aller Pestizide für die Behandlung von Mais- und Sojapflanzen eingesetzt, die hauptsächlich als Futter für Rinder und anderes Nutzvieh dienen… Die Giftstoffe lagern sich im Organismus der Tiere ab … Rindfleisch ist (nach Tomaten) das Nahrungsmittel mit dem höchsten Herbizidanteil und steht, was die Verseuchung mit Insektiziden betrifft, an dritter Stelle. Rindfleisch ist für elf Prozent des Krebsrisikos verantwortlich, das den Verbrauchern heute durch Pestizide in allen auf dem Markt angebotenen Nahrungsmitteln droht…“(S.22f.)

„Wenn sie ihr ‚Idealgewicht‘ von 500 Kilogramm erreicht haben, werden die Bullen in große Viehtransporter gepfercht, in denen sie keinen Zentimeter Bewegungsfreiheit haben. Während der rücksichtslosen Fahrt zum Schlachthof stürzen immer wieder einzelne Tiere und erleiden unter den Tritten der anderen Bein- und Beckenbrüche…. Auf dem Boden der Viehtransporter zusammengebrochen, außerstande, aus eigener Kraft auf die Beine zu kommen, werden die bedauernswerten Kreaturen an den gebrochenen Beinen angekettet und vom Lastwagen auf eine Laderampe geschleift, wo sie liegen bleiben, bis sie an der Reihe sind…“ (S.24f.)

Stiergötter und Teufel

„…die Religiosität des Westens (war) seit vorgeschichtlicher Zeit bis weit in das christliche Zeitalter hinein zu einem großen Teil von Stier- und Kuhgottheiten, von der kultischen Verehrung des Rindes geprägt … (Tanz um das goldene Kalb! Achim).“ (S.29f.) „Den Todesstoß versetzte das junge Christentum dem (im Römischen Reich weit verbreiteten – Achim) Mithrasglauben, indem seine Vertreter den Stiergott zum Symbol des Bösen erklärten. So wurde aus dem Gott des Gegners der leibhaftige Teufel gemacht. Auf dem Konzil von Toledo im Jahre 447 veröffentlichte die Kirche erstmalig eine offizielle Definition des Teufels. Er wurde beschrieben als `große, schwarze, monströse Erscheinung mit Hörnern auf dem Kopf und gespaltenen Hufen…, mit Eselsohren, Haaren, Klauen, glühenden Augen, furchtbaren Zähnen, einem riesigen Phallus und von schwefligem Gestank…“ (S.34)

Machos und Matadore

„Wenn wir heute an einen Stier denken, fällt uns höchstwahrscheinlich auch Spanien ein – der Pomp und die Grausamkeit des Stierkampfes, das Machogehabe der Matadore. … Die … Götter verschmolzen im Volksglauben mit den Stier- und Kuhgottheiten der Mittelmeergebiete und des Nahen Ostens…“ (S.46f.) „Die spanische Viehwirtschaft steckte im 16. Jahrhundert in einer schweren Krise. Die Iberische Halbinsel war durch Überweidung heruntergewirtschaftet. Um mehr Weideland zu schaffen, hatte man die Wälder gerodet. Aufgrund der starken Nachfrage nach Rindfleisch, Talg und Häuten wurde das Land so ausgelaugt, daß sich Wüsten in zuvor fruchtbaren Regionen ausbreiteten… In dieser Situation erwies sich das unberührte Grasland Amerikas als rettender Ausweg.“ (S.51)

„Bis ins 19. Jahrhundert hinein blieb Fleisch Mangelware. Dann sorgten die Verbesserung des Schiffsverkehrs über den Atlantik sowie moderne Konservierungsmethoden dafür, daß riesige Fleischmengen von Nord- und Südamerika nach Europa exportiert wurden, und zwar zu Preisen, die sich die Fabrikarbeiter und der bürgerliche Mittelstand leisten konnten. …

Auf der Suche nach Gewürzen zur Verbesserung des Fleischgeschmacks hatte Kolumbus neues Weideland gefunden. Heute ein halbes Jahrtausend später, dienen weite Landstriche in Nord-, Mittel- und Südamerika der Aufzucht von insgesamt mehr als 400 Millionen Rindern…“ (S.48f.)

Die englischen Fleischesser kommen

„Drei Jahrhunderte, nachdem die Spanier die Neue Welt mit Rindern überschwemmt hatten, setzte in den Ebenen Nordamerikas die Viehinvasion der Engländer ein. Die Kontore der Fleet Street und Glasgows … verwandelten das meiste Land westlich des Mississippi in Weideflächen für britische Rinder. … Bereits zu Beginn der industriellen Revolution waren die Engländer die größten Fleischkonsumenten der Welt… Der Rindfleischkonsum geriet zum Initiationsritus der aufstrebenden Briten.Der Geschmack am Fett war gleichbedeutend mit dem Geschmack an Überfluss, an Macht und Privilegien, an den Werten, die diese Inselbewohner zu den mit Furcht und Neid bestaunten Herren der Welt machten. Mit dem Genuss von fettem Rindfleisch signalisierten die Bourgeoisie und später auch die Arbeiterklasse ihre Bereitschaft, eine Funktion in der Kolonialherrschaft ihres Landes zu übernehmen. Diese moderne Form des Stieropfers vereinigte die Klassen in einem gemeinsamen Ziel… bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich ganz Westeuropa den neuen Zuchtstandards der Briten angepasst.“ (S. 58ff.)

„Der Statuscharakter, der dem Rindfleisch im 19. und frühen 20. Jahrhundert in den USA anhaftete, war vergleichbar mit der Rolle, die heute ein Automobil für das Prestige seines Besitzers spielt.“ (S.212)

Die verhängnisvolle Symbiose beginnt

„Der britische Verbraucher bestand auf üppigen durchwachsenen Fleischstücken. Um diesem Bedürfnis nachzukommen, dachten sich die britischen Rinderbarone des amerikanischen Westens einen genialen Plan aus….Im Ohio-Tal wurde um 1830 ein solcher Überschuss an Mais produziert, dass gewitzte Bauern und Geschäftsleute auf die Idee kamen, das Vieh von Indiana über die Staatsgrenze nach Ohio zu treiben, um es mit Mais zu mästen, bevor es zu den Schlachthöfen von Cincinnati gebracht wurde… Am Vorabend des Bürgerkrieges gelangte ein steter Strom von Rindern von Iowa nach Illinois, wo sie vor dem Transport zu den Schlachthöfen von St. Louis und Chicago mit Mais gemästet wurden.

… Das neue symbiotische Agrarkonzept sollte schon bald die landwirtschaftlichen und ökonomischen Beziehungen der Nationen verändern und letztendlich katastrophale Folgen für die Ökologie des gesamten Planeten haben.“ (S.72f.)

Der Weltstier

„Von Mexiko aus gelangen Unmengen an lebendem Vieh nach Texas, wo es dann gemästet und für den heimischen Markt geschlachtet wird. … Gleichzeitig wird in Brasilien in immer weiteren Landstrichen Futtergetreide für Rinder angebaut. Ein beträchtlicher Teil davon wird nach Europa, Russland, Japan und in die Vereinigten Staaten exportiert. In Mittel- und Südamerika selbst ist das Gras die Hauptfutterpflanze der Rinder. In Brasilien werden gegenwärtig 23 Prozent der gesamten Anbaufläche für die Produktion von Sojabohnen genutzt, von denen nahezu die Hälfte für den Export bestimmt ist. Das hat weitreichende Folgen. Ein halber Hektar Ackerland bringt gewöhnlich einen Jahresertrag von etwa 1.500 Pfund Weizen, Gerste, Roggen oder Hafer. Durch die vermehrte Aussaat von Sojabohnen auf diesen Äckern steht für die Menschen wesentlich weniger Getreide zur Verfügung; folglich steigen die Getreidepreise. Die Preissteigerung wirkt sich einseitig zu Lasten der Armen aus…In Mexiko beansprucht der Anbau von Soghumhirse für Futterzwecke einen immer größeren Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Noch vor 25 Jahren wurden in Mexiko weniger als 6 Prozent des im Lande geernteten Getreides an Vieh verfüttert, heute ist es mindestens ein Drittel. Und das in einem Land, in dem Millionen von Menschen an chronischer Unterernährung leiden…

Die moderne Viehwirtschaft ist ein kapitalintensiver Industriezweig, der mit einem minimalen Einsatz an Arbeitskräften auskommt. Während in der traditionellen Landwirtschaft bis zu einhundert Menschen von zweieinhalb Quadratkilometern Land leben können, kommt in einem durchschnittlichen Viehbetrieb im Regenwaldgebiet ein Angestellter auf 2.000 Rinder, das macht im besten Fall ein Mann auf 30 Quadratkilometer. ..“ (S.108ff.)

Rinder und Schweine essen Menschen auf

„In den USA werden heute mehr als 70 Prozent der Getreideernte als Viehfutter verwendet… Das Rind ist der schlechteste Futterverwerter unter den Nutztieren. … Neun Pfund Futter sind notwendig, damit ein Mastrind ein Pfund zunimmt… …im Jahre 1979 (wurden) 145 Millionen Tonnen Getreide an Nutzvieh – Rinder, Geflügel und Schweine – verfüttert … Nur 21 Millionen Tonnen von diesem Futter standen den Menschen nach der Energieumwandlung in Form von Fleisch und Eiern für den Verzehr zur Verfügung. Der Rest … war für die Ernährung der Menschen verloren… die Menge (hätte) ausgereicht, jeden Menschen auf der Erde ein Jahr lang täglich mit einer Schale Getreide zu versorgen…“ (S.123ff.) „Alljährlich sterben auf der Erde etwa 20 Millionen Menschen an Unterernährung und dadurch mitverursachten Krankheiten… Mehr als 15 Millionen Kinder werden jährlich von Krankheiten dahingerafft, die durch Mangelernährung verursacht oder dramatisch verschärft werden…“ (S.142)

Der fette Tod

„Die Bewohner der Länder mit hohem Proteinverbrauch leben gefährlich, sie sterben zu Millionen durch übermäßigen Verzehr von Fleisch aus Getreidemastbetrieben . Die Zahl der Todesfälle, die ursächlich mit einer allzu fett- und cholesterinreichen Ernährung zusammenhängen, steigt jährlich. Einem Bericht des Gesundheitsministeriums der USA zufolge waren von den 2,1 Millionen Sterbefällen im Jahre 1987 etwa 1,5 Millionen auf solche ernährungsbedingten Faktoren zurückzuführen.“ (S.135) Und es werden immer mehr Gefahren bekannt, die durch den Verzehr von industriellem Mastfleisch ausgehen. Die neueste und bedrohlichste scheint die Übertragung von Rinderwahnsinn auf den Menschen zu sein, was einige Experten für möglich halten. Der Rinderwahnsinn hatte sich durch Verfütterung von Fleisch an Wiederkäuer, das von Scrapie-befallenen Schafen stammte, unter den Rindern verbreitet. „Die als ‚Rinderwahnsinn‘ bekannt gewordene Krankheit BSE … wurde im Jahre 1986 in Großbritannien entdeckt. 1990 waren davon etwa 16.000 Tiere aus 7.000 Herden befallen. Das Gehirn der infizierten Rinder zersetzt sich und nimmt eine schwammartige Konsistenz an.“ (S.103)

Weiden statt Regenwald

„Seit 1960 sind mehr als 25 Prozent der Wälder Südamerikas abgeholzt worden, um Weideflächen Platz zu machen…. Gegen Ende der 70er Jahre dienten zwei Drittel der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Mittelamerika als Weideland für Rinder und anderes Vieh, von denen der weitaus größte Teil für den Export nach Nordamerika bestimmt war… Der Prozess der Waldrodung, Landkonzentration und Vertreibung der ländlichen Bevölkerung wiederholt sich nach gleichem Muster in ganz Lateinamerika mit der systematischen Zielsetzung, die Festlandmasse eines halben Kontinents zu Weidefläche zu machen, um die fleischreiche Kost der wohlhabenden Lateinamerikaner, Europäer, Nordamerikaner und Japaner zu sichern.“ (S.157f.)“Von 1966 bis 1983 wurden fast 100.000 Quadratkilometer Regenwald am Amazonas abgeholzt… Von Seiten der brasilianischen Regierung wurde geschätzt, daß etwa 38 Prozent des in dieser Zeitspanne vernichteten Regenwaldes den Weideflächen für eine groß angelegte Rinderwirtschaft weichen mussten…“ (S.160)

Heuschrecken mit Hufen

„Mehr als 60 Prozent der Steppengebiete der Welt wurden im Laufe der letzten 50 Jahre durch Überweidung zerstört… Darüber hinaus werden Millionen von Hektar Ackerland durch Bodenerosionen vernichtet, weil die Bauern die Ertragskapazität ihrer Felder überstrapazieren, um Futtergetreide für die Mast von Rindern und anderem Vieh für die immer zahlreicher werdende Erdbevölkerung zu produzieren.“ (S.169)“In den USA geht fast die Hälfte des gesamten Wasserverbrauchs auf den Anbau von Futtergetreide zurück. (In Südeuropa ist das sicher ähnlich – Achim). Auf ein Pfund Rindfleisch aus einem Mastbetrieb kommen 1.000 Liter Wasser für die Bewässerung der nötigen Getreidemenge… Für die Gewinnung von Proteinen tierischer Herkunft wird bis zu fünfzehnmal mehr Wasser benötigt als für die Produktion derselben Menge pflanzlicher Eiweiße…“ (S.185)

„Mehr als die Hälfte der heute in nordamerikanischen Gewässern gefundenen organischen Giftstoffe stammen aus Rindermastbetrieben… Ein Mastrind produziert im Durchschnitt 20 Kilo Dung in 24 Stunden. In einem Mastbetrieb mit 10.000 Tieren fallen demnach an einem einzigen Tag 100.000 Kilo Dung an… (Das) entspricht der Abfallmenge, die in einer Stadt mit 110.000 Einwohnern produziert wird.“ (S.187)

Treibhaus

„Fast vier Liter Treibstoff werden in den Mastbetrieben der USA verbraucht, bevor man ein einziges Pfund Fleisch erhält… Um den Rindfleischbedarf einer durchschnittlichen vierköpfigen Familie für ein Jahr zu decken, werden 1.000 Liter Treibstoff gebraucht, bei deren Verbrennung 2,5 Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben werden – das entspricht dem Abgasausstoß eines Mittelklassewagens in sechs Monaten bei normaler Nutzung…. Nun erfordert die Produktion von Futtergetreide auch den Einsatz von chemischen Düngemitteln, die wiederum Stickstoffoxide freisetzen. In den 40 Jahren zwischen 1950 und 1990 ist der weltweite Verbrauch von chemischen Düngemitteln drastisch angestiegen, und zwar von 14 auf 143 Millionen im Jahr … Die globale Erwärmung geht derzeit zu sechs Prozent auf das Konto der Stickstoffoxide, die durch chemischen Dünger und andere Verursacher freigesetzt werden.Schließlich und endlich produzieren Rinder das überaus wirkungsvolle Treibhausgas Methan… Methangas ist zu 18 Prozent an der fortschreitenden globalen Erwärmung beteiligt…. Schon heute wird von Fachleuten geschätzt, daß jährlich mehr als 500 Millionen Tonnen Methan in die Atmosphäre gelangen… Die 1,3 Milliarden Rinder der Welt haben daran mit 60.000 Tonnen, die sie im Jahr produzieren, immerhin einen Anteil von zwölf Prozent…. Allein durch das Abbrennen von Tropenwäldern, Grasflächen und Stoppelfeldern entstehen, neben dem CO2, 50 bis 100 Millionen Tonnen Methangas…“ (S.190f.)

Psychologie des Fleischessens

„Die europäischen Kriegsführer des Mittelalters, …, die Erforscher und Entdecker neuer Welten, die Siedler der großen Trecks … und die Cowboys in den Prärien des Westens – sie alle drückten durch den Genuss von gebratenem Fleisch ihre Einstellung zu ihrer Beute aus. Niemand stellt sich einen Cowboy vor, der gekochtes Fleisch isst. Selbst heute noch … wird die Szenerie der Rinderkultur mit dem Klischee des Cowboys, der sein Fleisch über dem offenen Feuer brät, an lauen Sommerabenden in zahllosen Vorstadtgärten wiederholt, wenn der ‚Herr‘ des Hauses die Holzkohle anzündet und die rohen Bouletten auf den glutheißen Grill klatscht.Von allen Nahrungsmitteln besitzt das Rindfleisch den höchsten Status. In fast allen fleischessenden Gesellschaften steht das dunkle Fleisch an der Spitze der Nahrungsmittelpyramide, in absteigender Ordnung gefolgt von Hühnerfleisch und Fisch und tierischen Produkten wie Eiern und Käse. … Lange Zeit haftete dem Blut, das im dunklen Fleisch enthalten ist, der Mythos an, ‚Kraft, Aggression, Leidenschaft und sexuelle Potenz‘ zu verleihen – Eigenschaften, die bei allen fleischessenden Völkern als erstrebenswert gelten… Das Blut ist die ‚Lebenskraft‘ des Tieres. Es ist durchdrungen vom Geist und Stoff des Lebens….“ (S.203f.)

„Die Gleichsetzung von Fleisch mit Macht, männlicher Überlegenheit und Privilegien ist einer der ältesten und archaischsten Symbolismen, die in unserer heutigen Zivilisation noch Geltung haben.“ (S.210)

Eroberung und Entfremdung der Natur

„Europäische Theologen hatten mit ihrer Vorstellung vom Menschen als Mittelpunkt der Schöpfungsordnung den Boden für die Philosophie der Aufklärung bereitet. Nach der jüdisch-christlichen Glaubenslehre ist der Mensch nach dem Ebenbild Gottes erschaffen, und ihm ist die ‚Herrschaft‘ verliehen über den Rest der göttlichen Schöpfung. Nach der Sintflut spricht der Gott zu Noah und seinen Söhnen: ‚Furcht und Schrecken vor euch komme über alle Tiere der Erde, über alle Vögel des Himmels, über alles, was auf der Erde kriecht, und über alle Fische im Meer: in eure Hände sind sie gegeben.‘ (1.Mos.9,2)

Die Denker der Aufklärung waren überzeugt, dass Gott die Welt mit Vorbedacht so geschaffen habe, dass sie den utilitaristische n Zielen der Menschheit nutze. … (Sie) richteten ihr ganzes Streben … darauf, der Natur ihre vielen nützlichen Geheimnisse zu entreißen, in der Überzeugung, dass die Natur, wenn man sie erst einmal kannte, beherrscht, gelenkt und im Dienste der Menschen benutzt werden könnte…. Der utilitaristische Geist der Aufklärung führte zu einer tief greifenden Entfremdung der Natur. Der Philosoph und Mathematiker Descartes entwarf erstmals den radikalen Begriff von der Natur als Maschine. … Descartes entblößte die Natur ihrer Lebendigkeit und reduzierte Schöpfung und Geschöpfe auf mathematische und mechanische Größen. Er ging so weit, Tiere zu ’seelenlosen Automaten‘ zu erklären. … Die zeitgenössischen Intellektuellen begeisterten sich rasch für Descartes‘ Gedanken. …

John Locke … vertrat die Ansicht, dass den lebenden Geschöpfen und der unbelebten Materie der Erde kein Wert immanent sei, sondern dass sie erst wertvoll würden, wenn sie durch die Arbeit des Menschen und durch seine Maschinen in nützliche Stoffe, Produkte, Waren und Funktionen verwandelt worden seien. Wie viele seiner Zeitgenossen sah Locke die Natur als ein riesiges potentielles Vorratslager an produktiv nutzbaren Reichtümern. In der ‚Negierung der Natur‘ lag für ihn ‚der Weg zum Glück’…“ (S.218ff.)

Vom Fleisch zum Rohstoff

„Die Kinder der Industrienationen … sind es gewohnt, Fleisch als eine ‚Sache‘ zu betrachten, … das durch den gleichen Prozess entstanden ist wie ihre Spielsachen und Kleider beispielsweise. Das bedingungslose Zweckdenken unserer Zeit hat sich mit den rationalisierten Produktionstechniken des Industriezeitalters verbunden und aus dem Rind einen Rohstoff gemacht, dessen Wert ausschließlich an seiner Vermarktbarkeit gemessen wird.“ (S.237) „Sehr früh erkannten die Menschen, daß die anderen Geschöpfe sich nicht allzu grundlegend von ihnen unterschieden… Die Parallelen reichten aus, um den Menschen Kopfzerbrechen zu bereiten, wenn sie andere Tiere töteten und verzehrten. Um ihre zwiespältigen Gefühle zu beschwichtigen, entwickelten fleischessende Kulturen eine Vielzahl von Ritualen, mit denen sie Abbitte leisteten für die Tötung von Mitkreaturen. …

…Juden und Christen gab …der Glaube ganz neue Mittel in die Hand, das Essen von Tierfleisch zu rechtfertigen. Indem diese Religion den Menschen als nach Gottes Ebenbild geschaffen betrachtete und ihn zum Beherrscher der Schöpfung machte, gab sie ihren Anhängern eine vernünftige Begründung dafür, dass sie Tiere töteten und ihr Fleisch aßen. Später lieferten die Denker der Aufklärung eine biologisch-wissenschaftliche Rechtfertigung, da in ihren Augen die Natur nur dem einzigen Zweck dienen konnte, dem Menschen von Nutzen zu sein. …

Um ihr Gewissen zu beruhigen, haben die Menschen unserer Zeit eine Vielzahl von Barrieren zwischen sich und den Tieren, die sie essen, errichtet. Indem sie sich von einer engen Beziehung zu ihrer Beute entfernt haben, ist es ihnen gelungen, tiefverwurzelte emotionale Bindungen zu negieren und die Angst, die Scham, den Ekel und das Bedauern – all die Gefühle, die das Töten eines Geschöpfes oft begleiten – zu bekämpfen. …. Die fleischessenden Gesellschaften unserer Zeit haben sich noch weiter (als die Denker der Aufklärung) von der Natur entfernt, indem sie die Schuld am Tod der Tiere, die sie essen, delegieren, den Vorgang des Schlachtens unsichtbar machen, den Zerlegungsprozess verschleiern und bei der Nahrungszubereitung die Identität des Tieres leugnen.“ (S.240ff.)

Das deutsche Schnitzel…

„63 Kilogramm Fleisch verzehrte der statistische deutsche Durchschnittsbürger im Jahr 1993, fast zwei Drittel, 40 Kilogramm, vom Schwein (7,5 kg stammten vom Federvieh, nur 1,5 kg von Schaf, Ziegen, Kaninchen und Wild). Mit 13 Kilo pro Kopf waren Rind- oder Kalbfleisch weit weniger beliebt…“ (Nachwort, S.257f.) „Milch- und Butterberge – auch die europäische Landwirtschaft kämpft mit gigantischen Überschüssen, vor allem an Rindfleisch. 1993 lagerten eine Million Tonnen des roten Fleisches in den Kühlhäusern und kosteten die Steuerzahler rund sieben Milliarden Mark. Um diese enormen Überschüsse abzubauen, will die Europäische Union möglichst viele Rinder in Drittländer verkaufen. Weil europäisches Vieh nicht mit den Weltmarkt-Preisen konkurrieren kann, wird der Handel bezuschusst.

Die Folgen sind verheerend: Mit ihren Dumpingpreisen bedrohen die Europäer Viehzüchter und Farmer vor allem in Afrika. In Westafrika und der Sahelzone werden Tausende von Tonnen tiefgefrorenen Fleisches für weniger als die Hälfte des Preises angeboten, die das Rind auf dem heimischen Markt kosten würde. ….

Die Preise auf den heimischen (afrikanischen) Märkten sind auf ein Drittel des ursprünglichen Wertes gefallen….. Das reicht kaum aus, um einen Nomadenhirten und seine Familie zu ernähren. In der Dürrezone des Sahel müssen sich Millionen Menschen auf das Vieh als einzige Erwerbsquelle verlassen, weil sie bei den herrschenden klimatischen Bedingungen kein Getreide anbauen können. …

Der ökonomische Wahnsinn ist immer auch ein ökologischer. Die Europäische Union holt rund eine halbe Million Tonnen Futtermittel allein aus Westafrika, um ihre Überschussrinder hochzupäppeln. Teure Energie wird verschwendet, um Soja, Nüsse und Palmkerne bis nach Europa zu bringen – 64 Prozent der Futtermittel-Importe der EG stammten 1991 aus Entwicklungsländern.“ (S.260ff.) Wie viel geht davon über den Oldenburger Hafen, dessen Umschlag zu mehr als zwei Dritteln aus Futtermitteln besteht, mit Lastwagen in die Güllezone südlich von Oldenburg?

„Wo immer es geht, bevorzugen die Europäer den Export von lebenden Tieren. Niedriger sind die Kosten dafür nicht… Aber die Tierhändler wollen … ihren Anteil am Subventionskuchen nicht den Fleischgroßhändlern überlassen…

Jährlich werden etwa 250 Millionen Schlachttiere auf mörderischen Viehtransporte n durch Europa gefahren. Ein bis zwei Prozent der Rinder verenden, von den besonders stressanfälligen Schweinen jedes zehnte.“ (262f.)

„80 Prozent der untersuchten Fleischproben, so fand 1993 die Hamburger Verbraucherzentrale heraus, hätten ‚die Kasse nicht passieren dürfen‘. Viele der 244 Fleischproben, die die Konsumentenschützer in acht Großstädten in Kaufhäusern und Supermärkten eingesammelt hatten, waren laut Untersuchungsbericht ‚verdorben und ekelerregend‘, mit Fäkalbakterien und anderen Kleinstlebewesen verseucht…

Die Todesangst, die den Tieren während der Transporte in den Knochen sitzt, hinterlässt auch im Fleisch ihre Spuren. Durch die Ausschüttung von Stresshormonen übersäuert das Muskelgewebe. Das Fleisch kann nach der Schlachtung nicht ordentlich ausreifen und wird deshalb rascher schlecht. Wenn es aus dem Schlachthaus kommt, sollte es zudem erst dann verladen werden, wenn es auf sieben Grad abgekühlt wurde. In der Praxis jedoch wird dieser Wert nicht eingehalten.

Kühlschleusen, die die richtige Temperatur zwischen Schlachthoftor und Lieferanten sicherstellen sollen, stehen bis heute lediglich auf der Wunschliste der Fleischhygieniker. Also landen oft noch warme Tierteile in den klimatisierten Fleischtransportern und verwandeln diese in rollende Brutkästen, in denen sich Bakterien explosionsartig vermehren.“(S.265)

Mahlzeit!

Aus dem Oldenburger STACHEL: „Fleisch – ein Stück Lebenskraft“ (gekürzt)
Quelle: http://www.artis.uni-oldenburg.de/~muh/Stachel/94.09/9FLEISCH.html