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Die Sprache der Mäster und Metzger

An Ihren Worten sollt ihr sie erkennen: Aus der Sprache der Mäster und Metzger
Wir wissen, was man aus Tieren machen kann, wenn sie zur Befriedigung menschlicher Interessen hemmungslos missbraucht werden: nämlich bloßes Messinstrument, Bioreaktor, Produktionsfaktor, Ware, Vergnügungsobjekt, Sportgerät oder Zielscheibe. Dass die Sprache diesen Tatbestand und damit auch den Täter immer entlarvt, ist ein einfacher Sachverhalt von zwingender Logik.Wo das Tier ein empfindungs- und seelenloses Objekt oder zumindest ein nur instinktgeleitetes, unvernünftiges Wesen ist, dient die Sprache als willfähriges Instrument der »Versachlichung« und Verschleierung.

So macht der Experimentator den Versuch nicht gern mit einem lebenden Tier, sondern lieber »in vivo«, der Händler handelt mit »Vieh«, der Jäger jagt bevorzugt »Raubzeug« und das Reh »spricht er an«, wenn er es mit der Flinte schwer verletzt.

Besonders ergiebig erweist sich ein Blick auf die Sprache derer, für die Tiere »Nutztiere« sind. Die Verdrängung funktioniert perfekt und lückenlos auf allen Stufen der »Produktion«, von der Geburt des Tieres bis zum gewaltsamen Tod im Schlachthof. Hier nur eine kleine Auswahl:

Da werden in der »tierischen Veredelungswirtschaft« »Spitzen-Vererber« »abgesamt« und »brünstige« Sauen »terminorientiert besamt« oder im »Eroscenter«, dem »Deckzentrum«, vom Eber »gedeckt«, so daß bei »gleichzeitigem Eintritt in die Trächtigkeitsphase« mit »gleichzeitigen Abferkelterminen« in der »eisernen Jungfrau« zu rechnen ist, was wiederum »Wurfausgleich« möglich macht. Zu bedenken sind bei der »intensiven Schweinemast« die »Rückenmuskelfläche«, das »Fleisch-Fett-Verhältnis«, die »täglichen Zunahmen« und die »Futterverwertung«.

Ferkel sind »Absetzferkel«, »Läufer« oder – nach ihrer betäubungslosen Kastration – »Börgen«, Eber heißen anschließend »Altschneider«. Kälber sind nicht einfach Kälber, sondern »Milchkälber«, »Absetzer«, »Fresser« und weibliche Tiere später »Färsen«. Kühe können »Futterkühe«, »Merzkühe« oder »Verarbeitungskühe« sein. Innerhalb des »Wirtschaftsgeflügels« gibt es die »B.U.T.-Big-6-Puten«, einen häufig genutzten »Masthybriden«, dessen Mast bei sehr hohen »Besatzdichten« von » 40-60 kg Tiermasse/qm« erfolgt.

Die Kuh, der Bulle ist »fertig« oder »ausgemästet«, d.h. reif für die »Schlachtung«. Ziel ist es gegenwärtig, die »derzeit noch zu große Variabilität der Schlachtkörper zu verringern«, denn der Markt verlangt »möglichst einheitliches Material«. Gewogen wird in »Lebend«- oder in »Schlachtgewicht«, eingeteilt wird in »Handelsklassen«. »Kälberschlachtkörper der Farbe hellrosa« sind »gefragte Artikel« . »Kuhpistolen« »fließen nach Frankreich ab«. Am Ende sind aus den Rindern »Vorder- und Hinterviertel« geworden, »Keulen«, »Roastbeefs«, »Filets«, »Zungen«, »Lebern«, »frisches Herz« und »Bauchlappen«, aus den Schweinen »Schinken«, »Schultern«, »Kotelettstränge«, »Bäuche«, »Nacken«, »Backen«, »Verarbeitungsspeck« oder »Salzspeck«. Der Rest geht in die »Tierkörperentsorgung«, wo die »Fleischmehlindustrie« »Fleischknochenmehl« bzw. »Tiermehl« produziert, das wieder für die Mast verwendet wird. So schließt sich der Teufelskreis.

Für den Mäster, den Metzger, den Händler, auch für den Veterinär sind Wörter wie die eben genannten Fachbegriffe seiner Arbeitswelt und somit ganz »normal«. Für uns sind sie »Unwörter« der schlimmsten Art. Dazu gehören auch Vokabeln wie »Keulen« oder »Verarbeitungsprämie«. Hinter letzterer verbirgt sich bekanntlich die Vernichtung von wenige Tage alten, völlig gesunden Kälbern zum Zwecke der »Reduzierung des Rindfleischüberschusses«. Das vom Handel selbst in die Welt gesetzte Wort »Herodes-Prämie« ist da ehrlicher, weil es die lebensverachtende Todesmaschinerie der Agroindustrie, des Marktes und der EU-Bürokratie am wenigsten verschleiert. Sein Erfinder hat diesen Worteinfall sicher längst bedauert.

Gemeinsam ist all diesen Begriffen die Ausblendung des Tieres als lebendiges Wesen mit vielfältigen Bedürfnissen und seine totale Reduzierung auf maximale Produktivität und Rentabilität für den, der es »nutzt«. Ist die auffällige Häufung von verharmlosenden und verhüllenden Redeweisen dabei aber nicht doch Zeichen eines latenten Unrechtsbewusstseins? Einer deutlichen Ahnung, dass da doch mehr ist als Fleisch, Milch oder Eier produzierende Maschinen? Werden diese Euphemismen als sprachliche Strategien der Selbsttäuschung und des Selbstschutzes enttarnt, steht die brutale Ausbeutung des Tieres nackt und bloß da.

Aber auch wir übernehmen in unserer Alltagssprache gängige Begriffe, mit denen wir die Tiere weit von uns Menschen wegrücken. Wie wäre es, wenn wir auch hier die bisherigen Tabus der Sprache brechen? Lassen wir die Tiere »essen« und nicht »fressen«, lassen wir sie »sterben« und nicht »verenden« oder »krepieren«, sprechen wir von »Tötung«, wenn alle Welt von »Schlachtung« spricht.

»Man hofft zu viel von guten und fürchtet zu viel von schlechten Wörtern«, relativiert Georg Christoph Lichtenberg die Wirkung von Sprache. Und doch sollten wir sie als Spiegel und Gradmesser unseres Bewusstseins nicht unterschätzen.

Hannelore Jaresch

Aus: »tierrechte« Februar 1999 – Teil 9